Beyoncé ist für mich die Verkörperung des unabhängigen Superstars. Sie braucht keine Nr. 1 Hits, veröffentlicht in fünf Jahren kein Album, geht jahrelang nicht auf Tour und ist trotzdem eine unumgängliche Künstlerin. Nun hat sie 2022 ihr neues Album RENAISSANCE veröffentlicht und ihre Tour startete am 10. Mai. Doch bevor ihre Fans sie nach vier Jahren Abwesenheit live sehen konnten, performte sie für eine private Hoteleröffnung in Dubai für eine Gage von 24 Millionen Dollar. Die Kontroverse ließ nicht lange auf sich warten. Die gängige Kritik ist, nachdem sie ihr letztes Album den Pionieren der Queer-Kultur gewidmet hatte, dass sie sich für ein Hotel entschied, das der Regierung von Dubai gehört, die Homosexualität unter Strafe stellt. Hat sie mit einem geschätzten Vermögen von 440 Millionen Dollar nicht genug Geld, um solche Aufträge ablehnen zu können?
Beyoncés Privatkonzert in Dubai ist dabei ein auffälliges Beispiel für einen Kurswechsel in der Musikindustrie. Ein New Yorker Artikel beschreibt diese neue Entwicklung, dass prominente Musiker*innen für wohlhabende Klienten in privaten Veranstaltungen auftreten. Dabei soll die gezahlte Gage und der Auftritt am besten für die Öffentlichkeit unbekannt bleiben. Während „A Private“ in der Vergangenheit unter Musikern geächtet wurde, ist die Praxis in dem Stream-Zeitalter eine gängige Einnahmequelle für Prominente wie Flo Rida, Katy Perry und Paul McCartney. Alles das erscheint mir als exzessiv und Anti-Kunst.
Flo never matched the stardom of those peers, but he has recorded another nine Top Ten hits, sold at least a hundred million records, and secured for himself a lucrative glide from ubiquity. His endorsement deals are of sufficient scale that, in a recent breach-of-contract dispute with one of his brand partners, Celsius energy drinks, a jury awarded him eighty-three million dollars.
A man with this kind of nest egg might never need to leave home again. But, on this evening, Flo had journeyed north on business: he was playing a bar mitzvah, for a thirteen-year-old boy and three dozen of his friends, in the well-to-do Chicago suburb of Lincolnshire.
Der Preis ist exzessiv. So zahlte ein Klient in New York der Band „The Eagles“ 6 Millionen Dollar für eine Aufführung von „Hotel California“. Die Produktion ist exzessiv. Flo Rida fliegt mit einem Privatjet von Miami nach Chicago und zurück für 30 Minuten Live-Musik vor einer kleinen Gruppe. Der Wohlstand, der all dies finanzieren kann, ist exzessiv.
Der Wert hinter „Private“ liegt in der Exklusion der Öffentlichkeit und der daran gekoppelten Exklusivität der Erfahrung. Nur durch den Klienten ausgewählte Personen können Teil dieses Erlebnisses sein. Es geht nicht darum, die Musik zu hören oder ein Konzert zu sehen, denn das ist allgemein verfügbar. Zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit hatte die Öffentlichkeit einen so enormen Zugang zu Musik und ihren Künstlern. Fast jeder Song ist nur einen Klick entfernt, verpasste Live-Auftritte kann man sich auf YouTube anschauen. „Private“ hingegen sind einzigartige Luxusgüter, die sich von Luxusgegenständen dadurch unterscheiden, dass sie nicht in identischer Form gekauft werden können. Andere Reiche können sich einen identischen Ferrari leisten, aber nicht unbedingt „Maroon 5“ zur Hochzeit der Tochter.
Die enorme Zunahme von „Privates“ geht einher mit den negativen Effekten der einfachen Verfügbarkeit von Musik für die einzelnen Künstler. Musik als MP3 oder Stream nimmt lang nicht so viel Geld ein wie CDs, sodass sie nach neuen Einnahmequellen suchen müssen.
Viewed in that light, private gigs can start to feel like something close to justice.
Jedoch macht diese Verteidigung nur in dem Kontext Sinn, wenn private Auftritte für kämpfende Musiker*innen seien, die mit ihrer Kunst kaum Geld verdienen können. Jedoch buchen Wall Street Banker nicht Interpreten mit 1.000 aktiven Hörern auf Spotify, weil das kein Prestige hat. Die Beispiel-Künstler im New Yorker Artikel sind alle unglaublich erfolgreich und haben alternative Einnahmequellen zur Verfügung, wie Flo Rida und Beyoncé. Private Gigs ermöglichen mehr Gewinn als Ticketverkäufe, unter anderem wegen Bonuszahlungen. Das kann jedoch auch zu solchen Aufträgen führen:
Hendrickson-Smith toured with the late Sharon Jones and her band, the Dap Kings, and they often jetted overseas to play tycoons’ weddings. “The second we’d hear the W-word, our price tripled immediately,” he said. But he also learned that relying on private money exposed him to a new type of captivity. He once played a private party in New York where the host had hired little people, costumed as Oompa Loompas and as members of Kiss, to serve drinks. “I was mortified,” Hendrickson-Smith said. “But I couldn’t leave. It was brutal.” […] Despite all the luxuries, “corporate events can be sort of soul-destroying,” Viecelli said. “It’s not really an audience. It’s a convention or a party, and you just happen to be making noise at one end of it.”
Letztendlich folgen diese Superstars der Logik des Kapitals, in der es kein Genug gibt, sondern nur eine Grundlage, um mehr anzuhäufen. Da man durch das Internet Musik nicht länger als exklusives und rares Handelsgut für Profit verkaufen kann, wich die Musikindustrie unter anderem auf die Exklusivität des Privat-Gigs aus. Berichte über Beyoncé oder Usher, wie sie zum Genuss von Menschenrechtsverletzern auftreten, zeigen nur, dass die Produktion von Kapital öffentlich wird. Sie treten wie Unternehmen auf, die bereit sind, mit Autokraten zu handeln. Nur, dass sie eine andere Beziehung zur Öffentlichkeit haben.
Irgendwie muss Beyonce ihre Designer Kleider ja bezahlen, H&M will ja niemand sehen 😏